18.08.2025

Vermenschlichung – oder doch einfach Mitgefühl? 

Immer wieder hört man den Vorwurf: „Du vermenschlichst deinen Hund!“ - oft sogar dann, wenn wir einfach nur fürsorglich sind.
Aber was heisst das eigentlich – und wo beginnt diese „Vermenschlichung“ wirklich?

➡️ Ist es vermenschlichend, wenn ich meinem Hund eine bequeme Decke hinlege?
➡️ Wenn ich erkenne, dass er Angst hat, zu mir kommt und ihn tröste?
➡️ Wenn ich mich frage, wie es ihm gerade emotional geht?

Oder ist es vielleicht einfach nur: Mitgefühl, Aufmerksamkeit, Bindung & Beziehung? 💛

 

Vermenschlichung bedeutet, dass wir hündisches Verhalten durch eine rein menschliche Brille deuten – und dadurch oft falsch verstehen oder fehlleiten.

 

Zum Beispiel:
– Wenn wir denken, der Hund „will uns ärgern“, weil er etwas kaputt gemacht hat
– Wenn wir glauben, er sei „stolz“, weil er mit erhobenem Kopf läuft

– Wenn ich glaube, er hat „schlechtes Gewissen“, weil er kauernd unterm Tisch liegt und vorher etwas angestellt hat
– Wenn wir erwarten, dass er „dankbar“ sein müsste, weil er adoptiert wurde

 

Das ist Vermenschlichung.
Weil wir unserem Hund Emotionen, Motive oder Gedanken zuschreiben, die aus unserer menschlichen Welt stammen – nicht aus seiner.

 

Aber es ist NICHT vermenschlichend,
- wenn wir seinen Schmerz ernst nehmen
- wenn wir Rücksicht nehmen
- wenn wir seine Bedürfnisse wahrnehmen und in Beziehung treten – mit Respekt für sein Wesen als Hund

 

Mitgefühl ist keine Vermenschlichung!

➡️ Es bedeutet, dass ich ihn als fühlendes, soziales Wesen ernst nehme.
➡️ Dass ich auf seine Bedürfnisse eingehe – hundgerecht, nicht menschlich gedacht.

 

Ein Hund ist ein Hund.
Er ist ein fühlendes Lebewesen – mit Emotionen, Bedürfnissen, Vorlieben, Bindungen.

Und die dürfen wir sehen. Wir sollten sie sogar sehen.

Der Unterschied liegt also nicht im Tun, sondern in der Interpretation:
Beobachten & verstehen = Beziehung & Respekt
Bewerten & vermenschlichen = Missverständnis & Fehlleitung

 

Fazit:
Ein Hund ist kein Mensch.
Aber ein Hund ist auch nicht „nur“ ein Tier.

 

Er ist ein empfindsames, kommunikatives Wesen – mit eigenen Bedürfnissen, Emotionen und Ausdrucksformen.
Wenn wir ihm auf dieser Ebene begegnen, ist das keine Vermenschlichung.
Es ist Beziehung auf Augenhöhe – mit Herz, Verstand und Respekt für das Hundsein.

20.07.2025

Warum halten sich Alpha, Rudel & Co. so hartnäckig? 

➡️Weil sie einfach sind.

➡️Weil sie klar erscheinen.

➡️Weil sie Menschen in eine Rolle bringen, die ihnen Sicherheit gibt – selbst wenn sie auf falschen Annahmen basiert.

 

Die Vorstellung vom „Alphatier“, vom Hund als rangorientiertem „Meutewesen“, das nur durch klare Dominanz zu führen sei, stammt aus längst überholten Wolfsbeobachtungen in Gefangenschaft – und hat sich trotzdem tief ins kollektive Denken eingebrannt.

 

Warum?

Weil sie sich gut verkaufen lässt.

Weil sie schnelle Erklärungen liefert für komplexe Verhaltensweisen.

Weil sie den Menschen in die mächtige Rolle des „Rudelführers“ hebt – und Verantwortung vermeintlich einfach macht.

 

➡️Verhaltensbiologie?

➡️Emotionsregulation?

➡️Bindungsbedürfnis?

➡️Körpersprache?

Alles zu kompliziert.

Da ruft man lieber „Nein! Aus! Platz!“ und glaubt, das reiche aus.

 

Hinzu kommt:

Diese Mythen wurden jahrelang in Hundeschulen, TV-Shows, Büchern und Foren weitergetragen.

Und was man lange genug hört, hält man irgendwann für wahr.

Selbst dann, wenn aktuelle Forschung längst etwas anderes zeigt.

 

Dabei ist Dominanz kein Trainingsstil ❗️

Und ein Hund, der bellt oder nicht hört, ist nicht „respektlos“ – sondern kommuniziert.

Kontrolle ersetzt keine Beziehung.

 

Wirkliche Veränderung beginnt da, wo wir uns trauen, diese alten Denkmuster zu hinterfragen.

Wo wir nicht nur „erziehen“, sondern verstehen.

Wo wir nicht „führen“, sondern begleiten.

Wo wir auf Augenhöhe mit einem Lebewesen leben, das uns vertraut – nicht, weil es muss, sondern weil es will. Denn echtes Verstehen bedeutet mehr als Kontrolle.

 

Es bedeutet, den Hund in seiner Persönlichkeit zu sehen. Seine Emotionen ernst zu nehmen. Seine Kommunikation zu entschlüsseln. Und ihm die Möglichkeit zu geben, sich selbst wirksam zu erleben.

 

Ein Hund, der gehört wird, lernt nachhaltig.

Nicht durch Angst, sondern durch Vertrauen.

Nicht durch Unterdrückung, sondern durch Orientierung.

 

Statt blosser Reaktion entsteht ein echtes Verständnis für Zusammenhänge.

Der Hund beginnt zu erkennen:

„Wenn ich mich so verhalte, passiert das.“

Das ist Lernen, das bleibt.

Weil es nicht auf Zwang, sondern auf Erfahrung beruht.

 

Und auch für den Menschen verändert sich etwas:

Plötzlich geht es nicht mehr um Befehle und Gehorsam.

Sondern um Beziehung, um Miteinander, um die feinen Signale, die vorher unsichtbar waren.

 

Der Weg über Verständnis ist nicht der schnellste – aber er ist der ehrlichste, stabilste und respektvollste. Weil er nicht nur Verhalten verändert – sondern die Beziehung als Ganzes stärkt.

 

Und am Ende sind es nicht die „Sitz-Platz-Aus“-Kommandos,

die uns verbinden – sondern die kleinen Momente, in denen wir einander wirklich sehen.

 

Verstehen statt funktionieren.

Beziehung statt Kontrolle.

 

Hund sein dürfen – statt immer nur „brav“ sein müssen und gehorchen 💛